Eine dem Schuldner erteilte Restschuldbefreiung steht der Gläubigeranfechtung auch dann nicht entgegen, wenn der Gläubiger die Anfechtungsklage, die Rechtshandlungen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens betrifft, erst nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens erhebt.
BGH, Urteil vom 22.3.2018 – IX ZR 163/17 – NJW 2018, 2322
Sachverhalt:
Im Jahr 2005 machte der Gläubiger seinen titulierten Anspruch gegen eine Gesellschaft über rd. 245 T€ gegen den Schuldner geltend, der als Bürge haftete, und vollstreckte erfolglos. Nachdem der Schuldner sein Grundstück an eine Erwerberin verkauft und anschließend die Eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte, wurde 2007 das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet. Die Forderung des Gläubigers wurde zur Tabelle festgestellt und in der Schlussverteilung eine quotale (Teil-)Zahlung von rd. 3,5 T€ an ihn geleistet. 2014 wurde dem Schuldner die Restschuldbefreiung erteilt und das Insolvenzverfahren 2015 aufgehoben.
Der Gläubiger klagt gegen die Erwerberin des Grundstücks auf Duldung der Zwangsvollstreckung, da der Schuldner seit den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der GmbH im Jahre 2002 seine Vermögenswerte dem Gläubigerzugriff planmäßig entzogen, insbesondere das Grundstück in der Absicht, seine Gläubiger zu benachteiligen, auf die Erwerberin übertragen habe.
Nach Abweisung der Klage vor dem Landgericht und Oberlandesgericht verfolgt der Kläger sein Begehr vor dem BGH im Wege der – zugelassenen – Revision weiter.
Rechtliche Würdigung
Unter Verweis auf § 18 Abs. 1 AnfG weist der BGH darauf hin, dass nicht erledigte Anfechtungsansprüche nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens wieder von den einzelnen Gläubigern gemacht werden können, solange dieser eine fällige Forderung hat. Hier war die titulierte Gläubigerforderung nur zum geringen Teil erfüllt worden, ferner hatte der Insolvenzverwalter die Grundstücksübertragung nicht angefochten.
Auch die erteilte Restschuldbefreiung (RSB) steht der Gläubigeranfechtungsklage nicht entgegen: der Gegner der Gläubigeranfechtung verdient nach Auffassung des BGH keinen Schutz, solange er die tatsächlichen Voraussetzungen der Gläubigeranfechtung durch unredliches Verhalten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt hat.
- 18 AnfG unterscheidet hinsichtlich der nach Verfahrensaufhebung weiter verfolgbaren Anfechtungsansprüche nicht danach, ob der Anspruch bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechtshängig gemacht wurde und der Rechtsstreit nur gem. § 240 ZPO unterbrochen war oder ob es eine neu erhobene Anfechtungsklage ist.
Allenfalls denkbar ist ein Einwand gegen den Bestand des titulierten Anspruchs nach § 767 ZPO, sofern die Voraussetzungen der Vollstreckungsgegenklage vorliegen; nicht möglich ist insoweit jedoch eine Berufung des Schuldners auf die erteilte RSB. Denn diese betrifft nur die Durchsetzbarkeit, nicht aber das materiell-rechtliche Bestehen der Forderung.
Praxishinweis
Völlig zu Recht weist der BGH darauf hin, dass das Vertrauen desjenigen, der bereits im Vorfeld der Insolvenzeröffnung anfechtbare Handlungen zu Lasten der Gläubiger getätigt hat und hieraus im Insolvenzverfahren noch nicht belangt wurde, nicht schutzwürdig ist. Das schutzwürdige Vertrauen ist Leitbild des gesamten RSB-Verfahrens, das nur solchen Forderungen ihre Durchsetzbarkeit entzieht, die von einem redlichen Schuldner eingegangen worden waren (vgl. § 302 InsO). Nur so kann das Privileg, eingegangene Verpflichtungen zu Lasten der Gläubiger nicht mehr erfüllen zu müssen, gerechtfertigt sein. Zwar kann die Zulassung der Gläubigeranfechtung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens zu einem erneuten Wettlauf der Gläubiger führen. Das ist aufgrund des klaren Gesetzeswortlauts jedoch als Entscheidung des Gesetzgebers hinzunehmen.